Eine Auswahl veröffentlichter Gedichte:
Es war einmal
ein Wurm.
Der fiel beim Sturm
vom grünen Baum
in einen Raum
mit viel Papier.
Es kroch das Tier
mal dorthin und mal hier,
doch rundherum war nur Papier.
Der Wurm, er krümmte sich beizeiten
durch all die vielen hundert Seiten
und mußte dann erfahren,
daß er nach ein paar Jahren,
verstaubt,
ergraut,
doch theoretisch neu geboren,
der Mutter Erde ging verloren.
Es blieb ihm ohne einen Sturm
ein Leben nur als Bücherwurm.
* * *
Die Katze ist katzig.
Der Affe ist affig.
Die Spinne ist spinnert.
Der Bock ist bockig.
Der Barsch ist barsch.
Der Fuchs ist fuchsig.
Die Laus ist lausig.
Der Kauz ist kauzig.
Das Schwein ist schweinisch.
Der Mensch ist anders.
* * *
Eine Frau,
die jobbt,
wie sie will,
flucht,
so sie will,
denkt,
was sie will,
liebt,
wen sie will,
wird langsam
schuldlos
schuldig.
Ein Mann
dagegen
ist ein Mann.
* * *
Die Kinder
der alten Frau
kommen und gehen,
ohne da gewesen zu sein.
* * *
Wenn ich ein Vöglein wär
und meine Flügel hätt,
wär ich nicht hier.
Weil ich ein Vöglein hab
und keine Flügel mehr,
bleib ich bei dir.
* * *
Gedichte,
auch meine,
besternen
die Wegspur
und glimmen
bis morgen.
* * *
Preisträgerin ist Frau Behme-Gissel beim Gedichtwettbewerb 2010 der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte - mit ihrem Gedicht: Nur eine Frau.
Nur eine Frau
Ogultscherek
ist der Name
einer Frau
aus Turkmenistan.
Ogultscherek
ist der Name
von einer Frau
für eine Frau.
Ogultscherek
ist der Name
statt eines Namens
für eine Frau.
"Sollte-Sohn-Sein"
ist der Name
einer Frau
aus Turkmenistan.
* * *
Erneut ist Frau Behme-Gissel Preisträgerin der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte im Jahr 2020 - diesmal zum Sonderthema: Natur und Umwelt. Ihr Gedicht "Eisige Zeiten" erscheint nicht nur in der Anthologie XXIII, sondern auch im Hörbuch, das die Preisträger/Preisträgerinnen des Jahres vereint.
Eisige Zeiten
Mensch an Mensch
von Kopf bis Fuß
in Plastikpack
flutet hartweiß
auf entbäumten Hängen,
die Tag für Tag
auf Ohrenschützer
schreien.
* * *