Leseproben meiner Kürzestgeschichten:
Gewußt wie . . .
Willi Pannen war wirklich kein Freund der Glückspiele. Selbst den Verlockungen von Lotto und Toto widerstand er redlich. Doch mit 55 Jahren nahm er zum ersten Mal an einem Preisausschreiben teil.
Etwa drei Wochen später fuhr ein fremdes Auto auf seinen Bauernhof, und aus dem schnell geöffneten Anhänger stolzierte ein kräftiger Ziegenbock – der Gewinn des ersten Preises. Nach kurzem Händedruck von Mann zu Mann führte Willi Pannen, noch leicht verwundert, aber auch erfreut und sogar ein bißchen stolz, das Tier in einen seiner Ställe. Es fühlte sich da sichtlich wohl; doch es blieb dort nur ein paar Tage, denn nicht nur in den benachbarten Stallungen, sondern auch im angrenzenden Wohnhaus verbreitete sich ein überaus strenger Geruch, der Willi Pannen und seine Familie immer mehr störte.
Es war Sommerzeit, und der Ziegenbock mit seinem braun glänzenden Fell und dem prachtvollen Bart verbrachte nun, angepflockt am Seil, seine Tage und Nächte im Freien – zusammen mit den Kühen auf der Weide. Schon bald merkte Willi Pannen, daß seine Kühe unruhig hin- und herliefen, zuviel brüllten und schließlich zuwenig Milch gaben. Eines stand mit Sicherheit fest: Sie litten nicht an Rinderwahnsinn; die Nähe des Ziegenbocks und vor allem sein Geruch machten sie fast wahnsinnig. Da Willi Pannen weiterhin glückliche Kühe auf seinem Hof halten wollte, gab er kurzerhand folgende Anzeige in der Tageszeitung auf: Ziegenbock zu verschenken. Und schon am übernächsten Tag gab er seinen Geißbock gleich dem Erstbesten.
Wie Willi Pannen erst später erfuhr, hatte damals ein westfälischer Jungbauer dieses Preisausschreiben in die Fachzeitschrift gesetzt, um seine Ziegenherde zu entsorgen – und zwar ausschließlich durch erste Preise.
Diese Geschichte befindet sich im Buch von 2010 "Was das Erinnern entläßt" auf S. 117.
Eine weitere Leseprobe entdecken Sie zum Buch "Von Leuten, Frikadellen und Pimpernellen" als Leseprobe.